Dies ist der zweite Artikel einer kleinen Serie übers Kaffee Rösten, die Röstprofile und das Experimentieren damit. Letzte Woche gab es im ersten Teil eine kleine Einführung: Was ist eigentlich ein Röstprofil, was passiert in groben Zügen beim Kaffeerösten und warum ist das überhaupt wichtig?
Zur Erinnerung noch einmal ein “ganz normal” aussehendes Röstprofil:

Röstprofil der limitierten Kolumbien La Guadua Kaffeeröstung. Was ist das? -> klick.
Was wir vor Kurzem versucht haben, ist etwas, nun, radikaler. Ein Röstexperiment mit der etwas überspitzt formulierten Zielvorgabe: schaffen wir es, den “normalerweise” schokoladig-herb-fruchtigen Kolumbien El Zapote mehr wie einen fruchtig-beerig-teeigen/saftigen Kenia Kagumoini AB schmecken zu lassen?
Welche Freiheiten haben wir dabei eigentlich, und: was bestimmt letztlich den Geschmack – der Kaffee? Oder doch “nur” die Röstung? Und als Nebenfrage dabei: Wie schnell können wir die Hitze in die Bohnen hineinprügeln, ohne sie zu verbrennen und trotzdem eine optimale Röstung gewährleisten?
Das Experiment
OK, genug schwadroniert, ich weiß ja: pictures or it didn’t happen!

Ein Experiment mit unserem Kolumbien El Zapote. Herzlichen Dank an Dr. Schwarz vom Coffe Consulate für die Idee!
Im Hintergrund eine ganz alltägliche Röstung unseres Kolumbien El Zapote. Im Vordergrund das Experiment: mit 5kg nur die halbe Chargengröße – kleinere Chargen sind besser zu steuern, gerade wenn man extreme Röstungen anstrebt. Die blaue Linie zeigt die Temperatur der Röstluft – daran kann man erahnen, wie stark wir die Flamme während der Röstung gesteuert haben.
Die erste Phase der Homogenisierung ließen wir mit wenig Hitze ruhig angehen; zu diesem Zeitpunkt passiert noch nicht viel in der Bohne. Sie nimmt gleichmäßig Hitze auf und wird auf ein Temperaturniveau “gehoben”. Und dann: so schnell es irgendwie geht, aber ohne den Kaffee zu verbrennen, von der Homogenisierungs- in die Röstphase, mit dem Ziel, dass die Bohnen die Hitze trotzdem noch gleichmäßig aufnehmen, aber weniger Wasser verlieren als sonst – gutes, kostbares Wasser, welches den späteren Röstreaktionen dann mehr als üblich zur Verfügung steht und das dann hoffentlich zu wohlschmeckenden und -riechenden Verbindungen reagiert.
Die Röstphase selbst klingt dann verhältnismäßig “normal” aus. Zwischen dem 1. Knacken und dem Ende der Röstung verging relativ wenig Zeit, was bei einer normalen Röstung wie der im Hintergrund oft zu sehr saurem Kaffee führt – bei dieser Art zu rösten jedoch spannenderweise überhaupt nicht.
Was ist passiert?
So haben wir eine insgesamt fast viereinhalb Minuten kürzere Röstdauer und ein radikal anderes Geschmacksprofil. Wie der Kenia Kagumoini AB schmeckt der so geröstete El Zapote freilich nicht – aber wer hätte gedacht, dass so viel Jasmintee in diesem Kaffee drinsteckt? So zu rösten verändert einfach alles: Säurestruktur, Körper, Fruchtintensität, eben das komplette Geschmacksprofil. Aus der Schokobombe wird ein doch fast schon kenianisch anmutender Kaffee. Müsste ich mir aus beiden Röstungen einen Liebling aussuchen: ich könnte nicht. Beide sind auf ihre Art sehr lecker, aber eben zwei völlig unterschiedliche Stile.
Die Moral von der Geschicht’
Für mich auf jeden Fall ein sehr lehrreiches Experiment. Ich bin selber überrascht, wie gut es gelungen ist, von der Planung der Röstung, ihrer Ausführung und letzlich vor allem dem Geschmack in der Tasse. Mir bleibt noch viel zu lernen über diese für mich andere Art, Kaffee zu rösten – jetzt gilt es, einige Chemie- und Biologiebücher zu wälzen um zu verstehen, warum sich der Geschmack gerade auf diese Art und nicht anders verändert.
Das ist für mich persönlich das Spannende an diesem Beruf und dieser Berufung: ich lerne nach wie vor jeden Tag etwas neues über unser Lieblingsgetränk und alles, was dazugehört – seit mittlerweile 10 Jahren! Je mehr ich lerne, desto mehr zeigt sich mir: da steckt immer noch viel mehr als gedacht dahinter, da gibt es immer noch viel mehr als gedacht zu entdecken, zu experimentieren und Vorurteile oder angelesene Meinungen über Boad zu werfen. Auf jedem Gebiet, sei es die Rohkaffeeauswahl, das Kaffeerösten, die Verpackung, das Alterungsverhalten der Bohnen oder des gemahlenen Kaffees, der Einfluss vom verwendeten Wasser auf den Geschmack oder schlicht, was eine nagelneue LaCimbali M100 aus unserem Moccaklatsch Espresso #1 herausholen kann.
… und Lehren für den Alltag
Die Erfahrungen aus dem Experiment haben wir nun, etwas weniger radikal, auf den Tansania Blackburn Estate Pick of the Harvest 2013 und den Kenia Kagumoini AB angewandt. Mit einem durchweg schönen Ergebnis in der Tasse: ein saftigeres Mundgefühl, besserer Körper, mehr Aroma und intensiverer Geschmack.
Mir gefällt das. Euch auch?

Lehren aus dem Kolumbien-El-Zapote-Experiment (Hintergrund) angewandt auf die Röstung des Kenia Kagumoini AB (Vordergrund)
Röstexperiment auf Twitter
Während der Röstung haben wir spontan auf Twitter Probiersets verlost:
Die ersten 3 Retweets bekommen ein Testpaket, wenn ich im Gegenzug Feedback bekomme
^lk
— Sonntagmorgen Kaffee (@sonntagmorgen) July 26, 2013
Aus den drei sind dann spontan vier geworden, und ich bin sehr gespannt wie die vier auf den Kaffee reagieren. Alle haben jeweils ein Päckchen der normalen Röstung des Kolumbien El Zapote bekommen und eins der Experimentalröstung. Welches Paket welchen Kaffee enthält verraten wir, sobald alle etwas zu den Kaffees gesagt oder geschrieben haben – gerne auch hier in den Kommentaren. Danke an @ravenonline, @Emeukal, @kojote und @Ray_Banana!

Anonymer Kaffee